31.05.2016
Kreishandwerkerschaft und Handwerkskammer luden zum "Nachfolgefrühstück" ein
Siegen. Einen Betrieb an einen Nachfolger zu übergeben kann ebenso viel Aufwand bedeuten, wie einen Betrieb zu gründen. Weil dabei eine ganze Menge zu bedenken ist, geht es praktisch nicht ohne gründlichen Expertenrat.
Einen Einstieg in das umfangreiche Thema gab jetzt die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd mit einer ganzen Reihe von Fachvorträgen: Sie lud in Kooperation mit der Handwerkskammer Südwestfalen zum „Nachfolge-Frühstück“ ins Haus der Siegerländer Wirtschaft ein.
„Um Ärger zu vermeiden, braucht man richtige Fachleute“, eröffnete Kreishandwerksmeister Frank Clemens die Veranstaltung, nachdem sich die Teilnehmer mit Brötchen und Kaffee gestärkt hatten.
Das Interesse am Thema „Betriebsübergabe im Handwerk“ ist groß. Das zeigte die Zahl von weit über 80 Anmeldungen zu diesem Forum. An diesem Vormittag ging es, wie Frank Clemens hervorhob, vor allem darum, für das Thema und seine vielen Aspekte zu sensibilisieren.
Eine der Fragen, die für viele vor dem Schritt in den eigenen Ruhestand steht, ist die nach dem Wert des Betriebes. Diesem Punkt widmete sich, neben anderen wichtigen Aspekten, der Nachfolgeberater der Handwerkskammer Südwestfalen mit Sitz in Olpe, Uwe Hackler, in seinem Referat. Er hob hervor, dass es zunehmend schwerer wird, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Etwa die Hälfte der Betriebe geht an Familienmitglieder, ungefähr 30 Prozent an Mitarbeiter und 20 Prozent an Fremde.
Wichtig sei es, sich über die Ziele im Klaren zu sein: „In erster Linie wird es darum gehen, im Alter unabhängig zu werden.“ Auch der Fortbestand des Unternehmens ist ein Kriterium. Allerdings gelängen nur sechs Prozent der Unternehmen in die 4. Generation.
Eine relativ klare Lösung sei der Verkauf. Doch es gibt weitere Möglichkeiten, zum Beispiel die Verpachtung. Hackler: „Die eignet sich für Betriebe mit vielen Maschinen, die einen so hohen Wert haben, dass sie der Nachfolger nicht bezahlen kann.“
Die Schenkung wiederum ist ebenfalls eine relativ klare Regelung. Sie kann durch entsprechende Freibeträge steuerlich neutral von Statten gehen. Durchaus gängig sei es auch, eine Gegenleistung zu vereinbaren – beispielsweise eine Rente. „Das ist dann zwar steuerlich nicht mehr ganz so vorteilhaft.“ Aber es geht eben nicht nur um Steuerersparnis, sondern um das Gesamtpaket! In vielen Fällen aber gilt: „Geben Sie nie zu früh die Immobilien aus der Hand.“
Und schließlich gibt es noch die Beteiligung. „Eine GmbH bietet die Möglichkeit, den Nachfolger schrittweise heranzuführen.“ Der Seniorchef kann so noch die Entscheidungsgewalt behalten – was allerdings auch ein gewisses Konfliktpotenzial birgt.
Ausführlich erläuterte Uwe Hackler die verschiedenen Methoden der Wertermittlung, erklärte die Unterschiede zwischen dem Ertragswertverfahren und dem AWH-Standard (Arbeitskreis der wertermittelnden Berater im Handwerk). Eine solche Ermittlung des Wertes durch die Berater der Handwerkskammer Südwestfalen ist für die Mitglieder kostenfrei.
Den steuerlichen Gesichtspunkten widmete sich Almut Schleifenbaum, Steuerberaterin der gleichnamigen Siegener Kanzlei. Denn auch die bergen Tücken. Sehr gerne werde beispielsweise vergessen, dass gerade bei größeren Anschaffungen unter Umständen die Umsatzsteuer anteilig zurückgezahlt werden muss. „Das kann doch teuer werden.“ Auch werde eine Betriebsaufgabe sehr gerne zum Anlass für eine Betriebsprüfung genommen. Almut Schleifenbaum räumte mit manchen landläufigen Irrtümern auf – beispielsweise jenem, dass derjenige, der etwas verschenkt, keine Steuern zahlen müsse: „Alle Formen der Übergabe können Ertragssteuern auslösen.“
Die arbeitsrechtliche Seite der Unternehmensnachfolge beleuchtete Jürgen Haßler, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd. Das Arbeitsrecht sei insgesamt sehr ausgetüftelt, viele gesetzliche Regelungen und Informationspflichten sind zu beachten. „Da brauchen Sie einen Fachmann, der das begleitet. Vieles können Sie mit ziemlicher Sicherheit nicht allein.“ Wer mit seinem Betrieb vor diesem Schritt steht, solle sich nicht scheuen, frühzeitig mit der Kreishandwerkerschaft Kontakt aufzunehmen, auch im Interesse der Mitarbeiter. Da sei stets Fingerspitzengefühl gefragt. „Im Handwerk ist das Arbeitsklima doch ein sehr wichtiger Punkt. Wir helfen Ihnen gern. Wir sagen Ihnen aber auch schonungslos, wie es aussieht.“
Der Vizepräsident der Handwerkskammer Südwestfalen Reiner Gerhard, der ebenfalls am Nachfolgefrühstück der Kreishandwerkerschaft teilnahm, freute sich im Anschluss an die ausführliche Fragestunde sehr über die rege Teilnahme: „Ich kann die Organisatoren der Veranstaltung nur beglückwünschen – solche Veranstaltungen brauchen wir.“