28.04.2017
„Politisches Frühstück“ im Haus des Handwerks in Siegen
Die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd ist Sprachrohr für ca. 4.000 Handwerksbetriebe in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe.
Rund 2 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftet das heimische Handwerk als wichtige Größe in der heimischen Wirtschaft und bietet darüber hinaus rund 20.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen sicheren Arbeitsplatz.“ Mit diesen Informationen eröffnete Kreishandwerksmeister Frank Clemens nach einem herzlichen Willkommen an die anwesenden heimischen Landtagskandidatinnen und -kandidaten, das „Politische Frühstück“ unter dem Motto „Handwerk trifft Politik“ im Sitzungssaal der Kreishandwerkerschaft in Siegen. Er freue sich, die heimische Landespolitik in so großer Zahl begrüßen zu können.
Die Kreishandwerkerschaft sei als wichtiges Sprachrohr der heimischen Wirtschaft in ein breitgefächertes Netzwerk der öffentlichen Organisation vor Ort eingebunden und bringe hier Sachverstand ein, ergänzte Frank Clemens in seiner Begrüßungsansprache.
Zur wirtschaftlichen Ausgangslage merkte der Clemens an, dass das heimische Handwerk sich grundsätzlich guter Konjunktur erfreue. Auch wenn nicht jeder Betrieb in gleicher Weise von dem guten Geschäftsklimaindex profitiere, so könne man generell durchaus sagen, dass sich auf den Konjunkturbarometer die Tiefdruckgebiete verabschiedet haben. Das Handwerk habe auch zusätzliche Stellen besetzen können, obwohl viele andere Branchen um Nachwuchs und Fachkräfte zu kämpfen hätten.
Als positive Nachricht erwähnte der Kreishandwerksmeister noch die Tatsache, dass es seit dem Jahr 2012 in der Landesregierung auch ein Handwerksministerium gebe. Als einen Meilenstein für das Anliegen des Handwerks auf Landesebene bezeichnete Clemens die Errichtung der Enquetekommission „Zukunft von Handwerk und Mittelstand“, die auf die Initiative der FDP Landtagsfraktion zurückzuführen sei. Und dafür sei man dankbar.
Nach der Vorstellung jedes einzelnen der acht anwesenden Landespolitiker (seitens der CDU Anke Fuchs-Dreisbach, Jens Kamieth und Jochen Ritter, seitens der SPD Falk Heinrichs und Wolfgang Langenohl, seitens der FDP Manuela Rohde und Guido Müller und sowie seitens der Grünen Gregor Kaiser) oblag es dem stellvertretenden Kreishandwerksmeister Karl-Friedrich Bublitz den anwesenden Landespolitikern einige Fragen zu stellen, die der Kreishandwerkerschaft sozusagen unter den Nägeln brennen.
Ganz oben auf der Liste stehe der Wunsch nach „Weniger Bürokratie und Regulierung für die Betriebe“, „Wie stehe man zum aktuellen nordrhein-westfälischen Tariftreue- und Vergabegesetz“ (dieser Stellungnahme würden die Betriebe des Bauhaupt- und -nebengewerbes mit besonderem Interesse entgegensehen) und den Betrieben des Nahrungsmittelhandwerks treibe das Thema „Hygieneampel“ den Frust ins Gesicht.
Heftig diskutiert wurde das Thema „Bildung“. Die Fragen „Wie man sicherstellen werde, dass Schülerinnen und Schüler zukünftig über die erforderliche Ausbildungsreife zur Aufnahme eines Ausbildungsberufes im Handwerk verfügen“ und welche Maßnahmen gegen den unerträglichen Unterrichtsausfall, der speziell in den Berufskollegs bei Ausbildungsbetrieben für großen Unmut sorge, ergriffen werden können.
Einen weiteren wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang sprach der Bäckerobermeister Georg Sangermann an: Ihm lägen Informationen vor, wonach das Schulministeriums in Düsseldorf ab sofort stringent darauf achte, Berufsschulklassen vor Ort aufzulösen, wenn die Soll-Schülerzahl unter 16 liegen würde. Das wäre für die ohnehin gebeulten Ausbildungsberufe der Nahrungsmittelhandwerke der Gau. Hier erwarte man von der Politik deutlich mehr Flexibilität. Was spräche beispielsweise dagegen, Verkäuferinnen und gewerbliche Azubis in den Berufen des Fleischer- und Bäckerhandwerks gemeinsam zu beschulen, um hier auf die erforderlichen Zahlen zu kommen.
Grundsätzlicher Konsens mit den anwesenden Landespolitikern bestand in dem Punkt, dass Bildung Priorität haben müsse. Die Aussagen am Podiumstisch „Wir brauchen den Stärkungspakt“ trafen auf breite Zustimmung.
Diskutiert wurde auch, ob die Kosten für die Meisterprüfung künftig vom Land bezahlt werden sollten, wie es SPD-Spitzenpolitiker aktuell befürworteten. Zu diesem Punkt kam jedoch mehrheitlich Widerspruch aus dem Gremium der Handwerker, die der Meinung waren, es sei besser, dass jeder angehende Meister -auch unter dem Blickwinkel der hohen Wertigkeit der Meisterprüfung- seine Aufwendungen selbst tragen sollte. In diesem Zusammenhang wurde seitens der anwesenden Innungsobermeister auch nochmals deutliche Kritik an der Novellierung der Handwerksordnung im Jahre 2004 geäußert, mit der 52 Berufe des Handwerks aus dem Vorbehaltsbereich der Meisterprüfung gefallen sind. Der Meisterbrief, so KH-Geschäftsführer Jürgen Haßler, sei präventiver Verbraucherschutz und sichere den weltweit anerkannten hohen Ausbildungsstandard in den rund 130 Ausbildungsberufen des Handwerks.
Das Bildungssystem in NRW sei bereits vor vielen Jahren „an die Wand“ gefahren worden. Die Hauptschulen seien im Aussterben begriffen. Das Handwerk brauche Nachwuchs. Die Fokussierung auf das Abitur sei ein Irrweg. Ehrenkreishandwerksmeister Elmar Moll: „Das Handwerk braucht nicht nur Häuptlinge, sondern auch Indianer.“ Die Wertigkeit einer Gesellenprüfung komme ihm in der politischen Diskussion viel zu kurz. Die hochspezialisierten Fachleute des Handwerks ständen jeden Tag ihren Mann oder ihre Frau und dies nicht nach schematischen Abläufen, sondern vor komplexen Herausforderungen beim Kunden vor Ort.
Ein weiteres wichtiges Thema war ebenfalls „Wirtschaft 4.0“ und insbesondere die Digitalisierung im Handwerk. Die Landtagsabgeordneten sollen sich, auf Bitten des Handwerks, politisch für eine entsprechende Infrastruktur stark machen, damit unsere Region nicht abgehängt würde, forderten die anwesenden Handwerker.
Das „Pro und Contra“ zwischen Politik und Handwerk ergaben nach guten und sachlichen Diskussionen am Ende durchaus neue Sichtweisen auf beiden Seiten.
1). Foto: Landtagsabgeordnete: Die Runde der Landtagsabgeordneten im Haus des Handwerks in Siegen: (v.l.n.r.) Jochen Ritter (CDU), Jens Kamieth (CDU), Anke Fuchs-Dreisbach (CDU), Dr. Gregor Kaiser (Bündnis 90 die Grünen), Falk Heinrichs (SPD), Manuela Rohde (FDP) Guido Müller (FDP) und Wolfgang Langenohl (SPD).
3.) Foto: Der Vorstand: Freuten sich über eine angeregte Diskussion zwischen Handwerk und Politik: Der Vorstand der Kreishandwerkerschaft ( v.ln.r.) mit KH Geschäftsführer Jürgen Haßler, Kreishandwerksmeister Frank Clemens und Karl-Friedrich Bublitz (stv. Kreishandwerksmeister).